Zentrumspartei: Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert

Zentrumspartei: Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert
Zentrumspartei: Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert
 
Katholische Gruppen saßen bereits in den Landtagen und im Parlament der Paulskirche 1848/49. Sie hatten ihren Platz meist in der Mitte zwischen den konservativen auf der rechten, den liberalen und demokratischen Gruppierungen auf der linken Seite. Die Notwendigkeit, sich zu einer starken und dauerhaften Partei zur Vertretung der katholischen Interessen zusammenzuschließen, wurde in dem Augenblick als besonders dringlich angesehen, als sich mit der Bildung des Norddeutschen Bundes die Entstehung eines Deutschen Reiches unter der Vorherrschaft des preußischen Protestantismus ankündigte.
 
Das Zentrum als politische Partei bildete sich 1870 aus der katholischen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus und wurde bereits bei den ersten Reichstagswahlen 1871 mit 63 Mandaten hinter den Nationalliberalen die zweitstärkste Partei. Ihr Programm beschränkte sich auf das Eintreten für die Rechte der Kirche und einen föderativen Aufbau des Reiches mit garantierten Rechten der Bundesländer. Mit diesen Punkten geriet das Zentrum zwangsläufig in Frontstellung zu Bismarck und seinen kleindeutschen Plänen. Obwohl die Partei nicht ausdrücklich die Beschränkung auf die katholischen Bevölkerungsteile betonte, wurde sie doch vorwiegend ein Sammelbecken der Katholiken in Deutschland. Da in ihr Unternehmer und Arbeiter, Gutsbesitzer, Bauern und Landarbeiter Aufnahme fanden, war sie zugleich die erste echte Volkspartei. Zu ihr stießen auch die Polen aus den östlichen preußischen Provinzen und später die Elsässer.
 
Ihr unumstrittener Führer wurde als brillanter Redner und Gegenspieler Bismarcks im Kulturkampf und im Reichstag der frühere hannoversche Justizminister und Kronanwalt Ludwig Windthorst, der Bismarck an Unerschrockenheit und rednerischer Begabung durchaus gewachsen war.
 
Aus dem Kulturkampf ging die Zentrumspartei erheblich gestärkt hervor. Sie konnte ihren Stimmenanteil in der Reichstagswahl von 1874 gegenüber 1871 beträchtlich steigern und 91 Sitze gewinnen. Sie blieb eine der bedeutendsten Parteien des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Nach dem Abklingen des Kulturkampfes unterstützte sie Bismarcks Schutzzollpolitik 1879 und seine Sozialgesetzgebung. Das Sozialistengesetz lehnte das Zentrum 1878 in Erinnerung an den Kulturkampf trotz seiner antisozialistischen und antiliberalen Einstellung zunächst ab und blieb - auch nach der Zustimmung durch einen Teil der Reichstagsfraktion 1880 - später einer der heftigsten Kritiker des Gesetzes.
 
Nach 1890 trat die konfessionelle Ausrichtung der Zentrumspartei zurück. Verbunden mit dieser Tendenz verstärkte sich jedoch die Flügelbildung innerhalb der Partei. Ihr bestes Wahlergebnis erreichte die Partei bei den Reichstagswahlen 1907, als sie 105 Mandate gewinnen konnte. Einer kurzen Zeit der Opposition 1906-1908 folgte das Zusammengehen mit den Konservativen, das die Reichstagsmehrheit in den Jahren bis zum 1. Weltkrieg bestimmte.

Universal-Lexikon. 2012.

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